Boxerin Nadine Apetz kämpft, dabei ist die Niederlage und das Aus bei den Olympischen Spielen schon seit einigen Minuten besiegelt.
Dieses Mal ist es ein Ringen mit sich selbst, gegen die Tränen und die Emotionen nach harten Jahren als Leistungssportlerin und Doktorandin in Personalunion. «Seit 2014 habe ich alles ins Boxen gesteckt. Viel Schweiß, Tränen, Blut, Zeit, habe viele Opfer gebracht – da fällt natürlich einiges ab», sagt die 35-Jährige aus Köln schluchzend in den Katakomben der Kokugikan Arena in Tokio.
Dreimal drei Minuten bekam sie auf der größten Bühne des Sports dafür, am Ende stand ein knappes 2:3 nach Punkten gegen die Inderin Lovlina Borgohain. Und ein Stück Geschichte im deutschen Sport. «Es macht mich stolz, dass ich es hier her geschafft habe, dass ich die Erste war, das ist ein tolles Gefühl», sagt sie, wieder mit feuchten Augen.
Immer wieder wischt sie sich dabei mit dem Handtuch über ihr Gesicht, ob wegen der Tränen oder dem Schweiß bleibt offen. Weiter redet Apetz trotzdem, die Journalisten hören zu. Das ist ihr Moment, trotz des Aus. «Es war eine Ehre, auf dieser Bühne zu sein und zum Ende meiner Karriere einen Kampf bei Olympia zu haben, als letzten großen Kampf.»
Apetz ist ein Unikat, in vielerlei Hinsicht. Als erste Frau aus Deutschland qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in einem Sport, der tief in der Nische steckt und bei dem vielen Menschen wohl noch immer als erstes Regina Halmich einfällt. Die war allerdings Profi und stand 2007 zuletzt als Aktive im Ring. «Ich hoffe, ich konnte zeigen, dass auch eine deutsche Frau es im Boxen zu Olympia schaffen kann, dass ich vielleicht die ein oder andere inspirieren kann mit dem Boxsport anzufangen und in meine Fußstapfen zu treten. Und dass wir dann vielleicht 2024 auch eine Medaille von den Olympischen Spielen mit nach Hause bringen», sagt Apetz.
Erst mit 21 Jahren fing sie an, damals in Bremen auf der Suche nach einer Sportart, die man sich als Studentin leisten kann. Boxen war damals noch keine olympische Sportart, große Ambitionen hatte sie nicht. Aber Spaß. Seither ist aus der jungen Frau eine Doktorandin geworden, die an der Universität zu Köln zu Parkinson forscht und in Neurowissenschaften promoviert. Diese Doppelbelastung war hart, die Tage lang mit Training am frühen Morgen, der Zeit im Labor und dem Wunsch, es bis nach Tokio zu schaffen. Corona und die Verschiebung in diesen Sommer haben Apetz in beiden Feldern ein Jahr gekostet – die Doktorarbeit lag zuletzt komplett auf Eis, damit die Qualifikation für und die Vorbereitung auf diesen Wettkampf in Japan klappt.
«Auch wenn es jetzt mit dem ersten Kampf zu Ende ist – es hat sich gelohnt die fünf Jahre», sagt sie mit einem Lächeln und Augen. Wie es jetzt unmittelbar weitergeht ist ihr selbst noch nicht so ganz klar. Dass sie es in Paris 2024 noch einmal probiert, schließt sie nahezu aus. «Also erst mal mache ich jetzt meine Doktorarbeit zu Ende, die wartet nämlich schon seit ein paar Jahren darauf. Hobbymäßig werde ich bestimmt noch mal die Handschuhe anziehen, aber so auf die große Bühne, EM, WM…», sagt sie und bricht dann ab. «Ich muss jetzt mal zu Hause ankommen.»
Sie hat die Eröffnungsfeier mitgemacht, sie hat in ihrem Kampf alles gegeben und ist als erste deutsche Boxerin Olympionikin. Als Nadine Apetz aus Köln sich verschwitzt, mit feuchten Augen und einem stolzen Lächeln im Gesicht verabschiedet, applaudieren die Volunteers.